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Nachhaltig investieren nach ESG Kriterien – Was ist wirklich drin, mit Blick hinter das Marketing

  • Gerold Schlegel
  • 1. Dez. 2020
  • 6 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 6. Apr. 2021

Einmalige Brunnengestaltung und Verwertung von Naturmaterial - Georgien, Lagodechi (Aufwand von Materialbeschaffung, Arbeit, Kosten etc. stehen weniger im Fokus)

Dies ist eine Verdichtung von Informationen und Wissen. Wissenschaftlich würde das anders hergeleitet und ausführlicher dokumentiert werden. Der Blog hat aber eine andere Funktion. Er soll Menschen Fachwissen vereinfacht vermitteln und mit möglichst wenig Fachausdrücken auskommen.

Das Klima der Welt eine unbearbeitete Baustelle und Schwierigkeit sondergleichen. Damit alle das Gleiche verstehen zuerst das hier geltende Verständnis von «nachhaltig investieren».

Grundsatz der Ausführungen:

Die Investition von Geld müsste Unternehmungen fördern, die einen Beitrag dafür leisten, die Schädigung von Natur und Menschen zu reduzieren. Sei es, indem sie neue Technologien der Energiegewinnung und -verbrennung (schadstofffrei) fördern, sei es, einen Beitrag zu leisten, um die Biodiversität und Gesundung der Böden zu stärken oder um die Produktion und Verarbeitung von Nahrung neu zu denken und umzusetzen. Dazu gehören ebenso gestalterische Eingriffe in die Natur, um bei Unwettern optimaler geschützt zu sein (zum Beispiel der wäre Permakultur-Ansatz des Agrar-Rebellen Sepp Holzer, den er weltweit in Projekten umsetzt, eine Alternative).

In der Schweiz werden für Biodiversität vom Bund etwa CHF 1.1 Milliarden ausgegeben. Trotzdem nimmt die Biodiversität ab. Könnte es sein, dass die Biodiversität-schädigenden Aufträge der öffentlichen Hand in Höhe von rund 40 Milliarden Franken eher die Gründe der Abnahme sind?

Die Methoden zur Produktion von zum Beispiel Zement – in der heutigen Welt unabdingbar für die Bauindustrie - wären dringend zu ändern oder der Verbrauch zu reduzieren, da der aktuelle Energieverbrauch inklusive der Umweltbelastung zur Herstellung zu hoch ist. Anerkannte nachhaltige Methoden der Energie- bzw. Stromgewinnung sind heute Wasserstoff, Wind, Solar, und einige andere. Doch die Staudämme, die Täler voller vielfältigen Lebens in der Natur lahmlegen, sind ein Beispiel dafür, wie regenerative Energien einerseits gewünscht und notwendig sind, andererseits die Diversität der Natur reduzieren.

Was steckt nun hinter den inzwischen sehr bekannten Buchstaben «ESG», die auf vielen Produkten auch und vor allem in der Finanzindustrie erscheinen und was bedeuten sie vereinfacht ausgedrückt?

  • E = Environment – Umwelt: Themen wie etwas Treibhausgase, Umweltgefährdung, Energieeffizienz usw.

  • S = Social – Soziales: Soziale Verantwortung für Gesellschaft und Menschen, Arbeit, Sicherheit, Gesundheit usw.

  • G = Governance – Regeln und Steuerung: ein Lenkungs- und Regulierungssystem von Organisationen, Ethik und Werte, Kontrolle und Schutz vor Schäden durch Missbrauch, Risiken, Reputation, Bestechung usw.

Wenn wir die Anlagevehikel anschauen, die als ESG-konform beworben werden, sieht es bei genauerem Hinschauen anders aus. Anbieter von Anlagefonds oder ETF nach ESG-Vorstellungen gibt es viele. Sie sind eine neue und lukrative Einnahmequelle: «Wer kauft, tut Gutes». Die Verpackung funktioniert. Das mit der Verpackung vermittelte Gefühl ist gut. Der Anleger meint, für die Umwelt Gutes zu tun. ESG-Produkte sind populär und fördern den Profit auf Seiten des Anbieters. Dazu kommt, dass der Mensch eine eingebaute Fehlfunktion hat: Was die Mehrheit tut, ist richtig.

Machen wir die «Neunerprobe» und schauen nach, was wirklich drin steckt in den angepriesenen ESG Produkten – mit Aktien. Die Vergleichbarkeit ist grundsätzlich schwierig, doch die Systematik ist schnell durchschaut. Als Vergleichsindexe sind der Weltindex MSCI und der Index der 500 grössten Firmen in den USA verwendet worden.

Die Auswertung und Details finden Sie am Ende. Die hier gewonnene Erkenntnis ist, dass die Firmen und Länder, in denen investiert wird, viel zu wenig leisten für die Umwelt oder die Menschen. Alle aufgeführten Firmen sind früher oder später in Skandale verwickelt, die den Umweltschutz oder die soziale Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und den Menschen betreffen. Auslöser sind meistens Anreize, die durch Eingriffe der Politik und Regierung ausgelöst werden.

Für eine Firma ist es wichtig, Gewinne zu realisieren und die Kosten (zum Beispiel Steuern) zu reduzieren. Wenn Löhne astronomischen Ausmasses bezahlt werden, ist das keinesfalls so fair, wie es angestrebt oder als das es vermarktet wird. Die heute bestehenden Anreize fördern neue Ungleichgewichte, die zum Beispiel zur Steuerumgehung führen. Der Sitz einer Gesellschaft ist schnell in ein steuerfreundliches Land verlegt. Oder es wird viel bezahlt, um jedem der drei Buchstaben ESG zu entsprechen. Die ESG-Kriterien verhindern Innovation und verstärken das Fehlverhalten. Innovation zu Gunsten der Umwelt und Menschen kann weniger stattfinden.

Abgelegenes Naturwunder im Usambara Gebirge in Tansania - kein Hotspot von Touristen (Das populäre Usambara Veilchen ist weltweit gefragt. Die meisten kennen sie als Zimmerpflanze...)

Ein anderer verstärkender Effekt für neue Ungleichgewichte ist dieser: je grösser eine Firma im Wert ist, das heisst, umso grösser die Marktkapitalisierung an der Börse, umso populärer und gesuchter ist die Aktie bei Investoren. So wie die ESG-Kriterien für nachhaltige Anlagen populär sind, so gibt es Vorschriften und Gesetze zur Geldanlage für Grossanleger wie Pensionskassen, Versicherer, AHV und andere, die ESG-konforme Anlagen im Portfolio vorschreiben. Diese gesetzlichen Anreize führen zu neuen Ungleichgewichten und einer Fehlentwicklung, indem Firmen gefördert werden – durch Investments in ihre Aktien – die ihrerseits viel Geld in gesponserte Projekte oder in Spenden stecken können, um damit die Kriterien auf diese Weise zu erfüllen.

Die Fehlentwicklung bei den Anlagevorschriften hat zur Folge, dass Firmen mit hohem Börsenwert von grossen bzw. institutionellen Anlegern mehr nachgefragt werden. Das ESG-Label und deren Popularität verstärken diesen Effekt. Das führt dazu, dass ich als sicherheits- und nachhaltigkeitsbewusster Anleger Aktien von Technologiefirmen kaufe und damit eine vermeintlich sichere und ESG-konforme Anlage erwerbe. Wer sich etwa in den Jahren 2015 bis 2020 auf die fünf Titel Amazon, Apple, Google, Facebook, Tesla konzentrierte, hat eine hervorragende Rendite erzielt. Die hohe Nachfrage nach grosskapitalisierten Firmen treibt die Kurse weiter in die Höhe. Diese Firmen erfüllen inzwischen alle ESG-Kriterien und betreiben damit Marketing.

Die ESG-Auflagen für nachhaltiges Investieren bei den institutionellen Anlegern sind jedoch ein Brandbeschleuniger für steigende Kurse. Die steigenden Kurse haben aber immer weniger mit Rentabilität und Marge zu tun, denn diese steigende Nachfrage und damit die Kurse sind getrieben von Formalien wie etwa dem Erfüllen einer ESG-konformen Anlagepolitik, wenn diese gesetzlich vorgeschrieben wird. Wir könnten diese Betrachtung noch auf mehr Anbieter ausweiten. Doch es geht hier nur darum, die Systematik zu erkennen. … … …

Der Weltindex (MSCI mit 66 % Aktien aus den USA) ist genauso wenig tauglich, die Welt abzubilden, wie der Schweizer Aktienindex (SMI) geeignet ist, mit seinen über 53 %-Anteil von Nestlé, Roche und Novartis die Schweizer Firmenlandschaft abzubilden. Nachfolgend sind fünf Anbieter von ESG-konformen Anlageprodukten mit ihren grössten Positionen und Quoten von Firmen und Ländern aufgeführt:

  • iShares (von Blackrock, dem grössten Vermögensverwalter der Welt)

  • Microsoft, Nike, Amgen, Tesla, Procter & Gamble, Nvidia, Blackrock

  • Knapp 60 % in USA, 3.82 % Schweiz, 3.71 % Kanada, 2.27 % Australien.

  • UBS AG S&P 500 in USD

  • Apple, Amazon, Alphabet (Google), Facebook, Microsoft, Nvidia, Procter & Gamble

  • Auf dem Factsheet sind nur die Sektoren ersichtlich: IT 30.1 %, Gesundheit 14.2 %

  • Credit Suisse AG

  • Microsoft, Alphabet, Procter & Gamble, Nvidia, Tesla, Visa, Mastercard

  • 65.9 % USA, 2.79 % Schweiz, 3.68 % Kanada

  • Fidelity

  • Unilever, Roche, Microsoft, Procter & Gamble, Marsh & Mc Lennan

  • Knapp 43% in USA 5% CH, 33% EU, 8% UK

  • Vanguard ESG Developed World All Cap

  • Apple, Microsoft, Amazon, Alphabet, Facebook, Procter & Gamble, Nestle, Nvidia

  • 66.7 % USA, 2.7 % Schweiz, 2.9 % Kanada, 2.1 % Australien

Sisal das Wunderding der Industrie. Pure Natur. Der Anbau, die Ernte und die Gewinnung sind personalaufwendig. Der Einsatz extrem vielfältig: Brücken-/Seilbahnbau, Stahlseile, Autoindustrie, Teppiche, Seile,... Fast alle brauchen Sisal, doch die wenigsten kennen Sisal. Diese Wirkung hat ESG auf mich.

Ausgewachsene Pflanze hinter den Kühen und unten die weisse Faser zum trocknen.

Mein Fazit mit dem aktuellen Wissensstand

In der Lebensmittelindustrie wird es immer populärer, nachzuschauen, was in der Verpackung drinsteckt. Doch ein Label oder Zertifikat schützt mich niemals. Bio-Produkte des grössten Bio-Produzenten Europas kommen beispielsweise aus Südspanien, der Region Almeria. Dort ist eine Fläche von knapp 36'000 Hektaren Land mit Plastiktunneln als Gewächshäuser bedeckt. Plastik ist eines der grössten Umweltprobleme. Zusätzlich werden Wanderarbeiter aus Nordafrika zu Löhnen beschäftigt und unter Bedingungen untergebracht, die sich niemand wünscht. Trotzdem ist das Gemüse oder die Früchte «bio». Mindestens auf dem Papier, abgesehen von den späteren Nebenwirkungen durch die geschaffenen Anreize. Der Konsument, der Bio-Gemüse/-Früchte kauft, hat ein gutes Gefühl. Doch erreicht wird etwas anderes.

Ähnlich ist es beim Kauf eines Autos mit Antischlupfsystem und ABS. Wenn das Antischlupf-System beim Auto eingebaut ist, kann der Käufer trotzdem nicht mit 200 km/h um die Kurve brettern. Das Gleiche gilt für das ABS. Dieses hilft beim Bremsen, doch wenn der Fahrer keine Bremsbereitschaft sicherstellt, dann reicht die Reaktionszeit meistens nicht und das ABS kommt zu wenig zur Wirkung. Die Verantwortung, der sorgfältige Umgang und die Aufmerksamkeit bleiben beim Autofahrer – Technik hin oder her.

Wir können viel mehr solcher Labels, Zertifikate oder technische Systeme aufführen. Egal ob es sich um Mode, Schmuck, Arbeitsprozesse, Qualität oder Normen (Berufsverbände etc.) handelt - über das Label wird ein Anreiz geschaffen. Die versteckten und wenig beachteten Anreize schaffen Ungleichgewichte. Je länger, je mehr. Bis hin sogar zum regelrechten Missbrauch. Wir lesen das dann in den Medien. Seien es Beschaffung von EDV-Lösungen und Software oder Einkaufsskandale im Bauwesen der öffentlichen Hand (Vergaberichtlinien, Bestechung, Betrug etc.). Als Konsument bekomme ich Gammelfleisch, Kinderarbeit, Postautoskandal und anderes mehr mit.

Ein Label sagt wenig aus. Doch bei der Menge der Kunden wird durch Marketing und durchaus auch gutem Willen seitens von Zertifizierungsorganisationen (Verbänden etc.) der Wunsch erzeugt, diese Produkte mit Label anderen Produkten ohne Label vorzuziehen und somit werden diese auch breit verkauft.

Der Anleger könnte jedoch sich wie der oben erwähnte Autofahrer verhalten: aufmerksam bleiben, das benutzte System kennen und ansonsten eigenverantwortliche Entscheide treffen. Das benötigt Zeit, gute Informationen und Neugier. Doch am Ende kann sich der Anleger sicher sein, das zu erhalten, wofür er sich vorher entschieden hat.

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